Chords and Ink #15 – Toschi

Bei Chords and Ink präsentieren fantastische Musiker die Tattoos, die ihnen am wichtigsten sind und erzählen die Geschichten dahinter.

Genau ein Jahr nachdem mit Claus Kaputto das erste Foto für Chords and Ink geschossen wurde, setzte sich im Februar 2016 ein Urgestein und bunter Hund der österreichischen Oi!- und Punkszene vor die Linse. Bei Chords and Ink #15 sprach Toschi von KRIEG DEN PALÄSTEN über seine Vergangenheit, Adam und Eva, dreckige Knasttattootricks und das Leben im Großen und Ganzen.

Über Toschi und sein Leben

Chords And Ink - fantastic musicians talk about their favourite tattoo and the story behind it.<br /> Chords and Ink 15 with Toschi of Austrian "Psycho-Pogo-Pop" / Punk Rock band KRIEG DEN PALÄSTEN.<br /> www.fb.com/wetphoto | www.wet-photo.at<br /> NO USE WITHOUT PRIOR WRITTEN PERMISSION // KEINE VERWENDUNG OHNE VORHERIGE SCHRIFTLICHE ERLAUBNIS.

Der nette Herr mit dem feschen Anzug und dem unverkennbaren Wiener Charme musste große Teile seiner jungen Jahre in den unwirtlichen Weiten des Burgenlands verbringen, wo ihn ein Schulfreund auf Punk aufmerksam machte. Mit 15 oder 16 wurde aus dem kleinen Toschi erstmals ein offizieller Krachmacher, als er als Sänger in die nicht sehr berühmten Schülerband TOFIX SAUSAGE, benannt nach dem herrlichen Tofix-Kloreiniger, einstieg. Die Grundvoraussetzungen dafür waren, dass Toschi ganz einfach der Älteste im Umfeld der Band war. Die am Konservatorium Eisenstadt von Toschi hart erkämpfte Ausbildung an der klassischen Gitarre war für die ersten Schritte im Rockstarleben eher nebensächlich. Die Leidenschaft zur Gitarre hatte für Toschi dennoch ein abruptes Ende, als der junge Punker sich beim Sturz durch eine Glasscheibe tiefe Sehnen- und Nervenschäden zuzog. Bass und Gitarre musste er somit bis auf weiteres an den Nagel hängen. Nach einem kurzen Spaß-Intermezzo in einer neuen Bandkombo, die eine „Mischung aus SEX PISTOLS und NAPALM DEATH“ sein sollte, wurde es jedoch wieder ernst für Toschi.

Ein alter Skinheadkumpel des lädierten Punkers steckte Stefan, dem Chef der Wiener Oi!-Ikone PANZERKNACKER, dass er eventuell jemanden kennen würde, der Gitarre spielen könnte. Nachdem Toschi unter den gnadenlosen Motivationsanrufen von Stefan nachgegeben hatte, war es dann so weit. Nach (mindestens) einem Bier im Proberaum und der Präsentation des Demotapes stand der neue PANZERKNACKER-Gitarrist fest. C-F-G Akkorde, laut und wild – Toschi hat’s „gedaugt“.

DIE WIENER PANZERKNACKER – „Erinnere Dich“. Disney wollte dann doch nicht in den Oi!-Punk einsteigen.

Kritisch wurde die Erfolgsstory der PANZERKNACKER, als 1998 die zweite CD, „Erinnere Dich“, samt berüchtigtem Walt-Disney-Coverartwork rauskam. Verprügeln von Goofey und Mickey, Donald mit dem Messer kitzeln, Tick, Trick und Track Pillen andrehen und Daisy eine Dopplerflasche zur rektalen Begutachtung überlassen – das findet man natürlich ziemlich witzig und scheit die logische Konsequenz zu sein, wenn die Häfenbrüder Entenhausens plötzlich Oi! für entdecken würden. Weniger lustig fand das natürlich Disney selbst und ging dazu über, die Band mit aller Wucht und Härte totzuklagen. Das war das vorläufige Ende der PANZERKNACKER.

Nach diesem Ausflug in die Gerichtssäle Österreichs war es einige Zeit still um Toschi, bis sein Ex-Kollege Stefan meinte, wieder eine neue Band am Start zu haben. „Und ich komm in den Proberaum rein, im Black Lagoon, und sehe drei mir äußerst bekannte Gesichter. Stefan am Mikro, der Marius, ein Punk, am Bass und der XLarge-Harry hinter’m Schlagzeug.“ – Mit Toschi, Stefan und Harry standen also wieder drei ehemalige PANZERKNACKER im Proberaum; das daraus entstandene Kind wurde WIENS NO. 1 genannt und wuchs zum Aushängeschild der heimischen Skinheadszene heran. Für Toschi war die Nähe zur ehemaligen Band jedoch kein besonderer Ansporn und so blieb es für ihn bei einer Probe.

Das änderte sich jedoch, als er während des CD-Release-Konzerts nach ein, zwei, vielen Bier überredet wurde, doch wieder aktiv zu werden. Ein für Toschi besonders wichtiges Anliegen war, gegen die in dieser Zeit vorherrschende Auslegung von „unpolitischem“ Oi! – also „nach links spucken und nach rechts schleimen“ – zu mobilisieren. Und das natürlich mit der naheliegendsten Waffe: mit WIENS NO. 1 sollte nach links gespuckt und nach rechts getreten werden.

Die Sache mit dem Nach-rechts-treten wurde dann zum Knackpunkt der Band, als Stefan bei einem Track der Südtiroler Heimat-Berge-Alkohol-Kapelle FREI.WILD mitwirkte. Bereits lange vorher gab es – nach internen Diskussionen und einem Auftritt am Ehrlich & Laut Festival, bei dem FREI.WILD auch zugegen waren – die Entscheidung, nichts mit diesem „08-15 Reißbrettkommerz für verwirrte, post-pubertäre und sinnentleerte Pseudorebellen“ anzufangen. Statt dem erwarteten Push, den diese Kollaboration bringen könnte, kam somit der Todesstoß für WIENS NO. 1 in dieser Besetzung.

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Lang konnte der Ex-Burgenländer im Anschluss natürlich nicht still sitzen und so schnappte er sich seine ehemaligen Bandkollegen – Marius, Rahmi, Frank – und hob mit ihnen die später als KRIEG DEN PALÄSTEN titulierte Lärmmaschinerie aus der Taufe. Statt auf Oi! setzte man diesmal auf Punk mit Keyboard, während Toschi mit seinem „richtig skinheadtypischen Hobby“, Gedichteschreiben, für die lyrische Seite verantwortlich war. Nach ein paar Demoaufnahmen wurde Toschi bei einem Kurzbesuch beim Sänger der Kroatischen Hardcore-Band MOTUS VITA EST, Hogar, in Zagreb gleich zwangsverpflichtet, bei deren 25jährigem Bandjubiläum zu spielen. Ein Gentleman lässt sich natürlich mehr als einmal bitten und nach ein paar weiteren Überzeugungsversuchen musste binnen vier Monaten ein Bandname und ein halbstündiges Programm her. In feinster Punkermanier lieh man sich eine anarchistische Kampfphrase als Bandnamen aus und bastelte genug Material zusammen.

Der Aufrtitt beim Bandjubiläum von MOTUS war für KRIEG DEN PALÄSTEN ein voller Erfolg, auch wenn die kroatischen Punks und Skins für die ausschließlich auf Wienerisch gesungenen Texte wohl sehr gerne Untertitel gehabt hätten. Zumindest die Liedertitel und Zwischenansagen konnte Toschi auf Kroatisch darbieten.

Seit diesem ereignisreichen Abend läuft die Maschinerie KDP und kämpft sich wieder nach oben. Und wenn es mit dem Bandnamen mal nicht mehr passt, wird KDP einfach zu „Könige der Proleten“ oder „Kaiser der Psychatrie“ umgewidmet – wenn’s nach Toschi geht.

Das Tattoo

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Gestochen wurde das Tattoo von Chris, dem PANZERKNACKER-Bassisten aus Toschis Anfangstagen bei der Band. Die beiden kennen sich bereits aus der Schulzeit und Toschi durfte schon ein paar mal als Chris‘ Versuchskaninchen herhalten. So auch, als sich Chris ein neues Opfer für größere Tattoos suchte und Toschis Rücken dafür auserwählte.

Die Frage nach dem Motiv gestaltete sich überraschend einfach, da Toschi nur ein paar Wochen davor eine alte Bibel im Familienfundus entdeckt. Die Holzschnitte darin und Toschis Interesse für Agnostizismus/Gnostizismus legten also den Grundstein für die Motivwahl: Der Baum der Erkenntnis mit vielen versteckten Details und Anspielungen auf Luziferanismus, dem in den Baum eingearbeiteten Tod, der apfelspendenden Schlange und den beiden ersten Menschen. Dazu kamen dann noch von Hieronymus Bosch inspirierte Motive und die Dualität von einer weiblichen Sonne und einem männlichen Mond. Umrandet und abgeschlossen wird das Motiv von zwei Wegen die, je nach Interpretation, aus der oder zur Hölle führen.

Persönlich würde sich Toschi übrigens nie wieder den Rücken tätowieren lassen denn, „egal was die ganzen Hardcore-Affen sagen, es tut weh!“. Auch wenn das Ergebnis und die Körpererfahrungen es definitiv wert waren. Und zum Glück ist der Buckel jetzt eh schon voll.

Für den Wahlwiener hatten und haben Tattoos auch einen sehr unmittelbaren Einfluss auf sein Leben. Denn auch wenn ihm keine wahnsinnigen Nachteile daraus entstanden und „heutzutage eh jede Friseuse ein Panama City Nummernschildl oder einen Schlampenstempel hat – ein Arschgeweih, wie man so schön sagt“, bereut er das ein oder andere Peckerl. Beispielsweise die taktisch schlecht platzierte Tätowierung auf seinen Fingern: Auf einer Skinhead-Party stand ein kleines Tuschefäßchen auf dem Tisch und in leicht illuminiertem Zustand ging man spaßeshalber eben gegenseitig mit Stecknadeln auf einander und sich selbst los. Nachdem am nächsten Morgen der Rausch verflogen war und noch immer das mehr schlecht als recht gestochene „SKIN“ auf den Knöcheln prangten, griff Toschi tief in die „Häfnschmäh“-Trickkiste. Mit Milch stach er sich den Schriftzug nach. „Das entzündet sich furchtbar, aber die Farbe ist ausgebrochen“ und von den Buchstaben sind nur noch leichte Schatten über.

Also Kinder, lasst Euch nicht während dem Suff pecken, sonst muss Euch die Mama mit Milch nachtätowieren. Ob Haltbar- oder Vollmilch ist laut Toschi übrigens egal.

Tattoo-Artist: Christoph, Black Lemon Tattoos

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Ein großes Danke an Toschi für diese extrem ausführliche Lebensgeschichte, die wunderbare Gesellschaft und die endlose Geduld, mit der er auf diesen Beitrag gewartet hat. Und auch ein großes Danke an Martin vom Venster99, dass wir seinen Punkrocktempel totblitzen durften!

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