Linux für Fotografen – Part 2: Programme & Fazit

…oder: „Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?“. Dieser Part ist wirklich keine schöne Angelegenheit, denn man merkt, dass bei Linux-Entwicklern der Fokus hauptsächlich auf IT-spezifischen Anwendungen o.ä. liegt. Aber immer schön der Reihe nach…

In Part 1 haben wir uns einige Linux-Distros angesehen, jetzt wollen wir uns um die nötigen Programme kümmern.

Die Ausgangssituation

Aber zuerst mal der Status Quo. Mein fotografischer Workflow ruht auf zwei Grundsäulen: Photo Mechanic und Lightroom.

Photo Mechanic – das Importmaschinengewehr

ist ein – ursprünglich für Sport- und Pressefotografen entwickelter – Fotoverwalter/-downloader mit zwei Features, auf die man wirklich kaum noch verzichten möchte. Zum Einen lässt sich die importierte Bildersammlung von zB einem Konzert verdammt schnell sichten, da Photo Mechanic im Gegensatz zu Lightroom nicht erst für jedes Foto eine JPEG-Vorschau aus den RAW-Dateien erstellen will, sondern gleich auf die eingebetteten JPEGs zurückgreift. Zum Anderen verfügt Photo Mechanic über eine umfassende Metadatenverwaltung, bei der IPTC-Felder wie Fototitel, Beschreibung, Location und Stichworte über viele Variablenfelder gefüllt werden können. Trägt man zB bei „Persons shown“ und „Location“ jeweils die Band und den Veranstaltungsort ein, so kann man den Titel mit den Variablen „{persons} performing at {location}“ festlegen. Äußerst praktisch, denn so spart man sich das ewige, fünffache Ausfüllen der jeweiligen Felder.

Auch der Import kann über variable Ordner- und Dateinamen gesteuert werden. Der Bürokratenkreativität wird nicht der kleinste Stein in den Weg gelegt.

Das Photo Mechanic Stationary Pad - ein Traum für Metadatenliebhaber
Das Photo Mechanic Stationary Pad – ein Traum für Metadatenliebhaber

Lightroom – die eierlegende Wollmilchkatalogsau

Nachdem man die Fotos in Photo Mechanic verschlagwortet, gesichtet und die Favoriten ausgewählt hat, kommt die Verwurstung in Lightroom. Weißabgleich, Beschnitt, Kontrast, Entrauschung und Schärfung, Stichworthierarchien und Synonyme, GPS-Daten, Export mit Wasserzeichen – fertig.

LR

Lightroom dürfte für Fotografen, die mehr als das gelegentliche Einzelbild in Photoshop bearbeiten wollen, die Lösung schlechthin sein und ist der Platzhirsch im Editing-Wald.

Die Alternativen

Jetzt wirds aber kritisch. Photo Mechanic läuft unter Linux ebenso wenig wie Lightroom. Und auf eine Portierung seitens der Hersteller kann man wohl ewig warten. Also suchen wir uns die passenden Alternativen für Import, Verwaltung/Verschlagwortung und Bearbeitung.

Import – Rapid Photo Downloader

Die Importfrage ist schnell und einfach beantwortet, denn die Meinungen der Fachkollegschaft decken sich da großteils: Rapid Photo Downloader! Auch hier kann man sich bei der Importstruktur nach Herzenslust austoben und RPD rattert ohne Widerworte durch Speicherkarte nach Speicherkarte. Und das sogar mit Restzeitanzeige – Top! Schön wäre es, wenn man diese Funktion in einem der angetesteten Organizer finden könnte, aber auch als Standalone ist RPD ein äußerst guter Bestandteil des Workflows.

Rapid Photo Downloader
Fotoimport unter Linux Mint mit Rapid Photo Downloader

Tags & Organisation – DigiKam / gThumb? / ???

Und jetzt kommen wir zum ersten Punkt, der einen völligen Umstieg auf einen Linux-Fotoworkflow verhindern könnte. Es gibt einfach keine vernünftige Alternative zu Photo Mechanic. DigiKam ist, abgesehen von der wirklich featurelosen Importfunktion, schon ein ganz passabler Ansatz – sofern man das grässliche Schneckentempo bei der Katalogüberprüfung verzeihen kann. Relativ gut gelungen ist die Stichwortverwaltung, auch wenn IPTC-/Metadaten-/Variablenfunktionen à la Photo Mechanic nicht vorhanden sind.

Tags
Aus einer schönen Stichworthierarchie wird dank mangelnden Konvertern eine ziemlich ungeordnete Liste

Die Konvertierung der bestehenden Stichwortlisten spießt ein wenig, aber immerhin ist sie brauchbar. Was man beispielsweise vom verhungerten Metadatenbereich von Darktable nicht sagen kann…

Darktable Metadaten
„Why even bother?“ – Metadaten und Stichworte in Darktable

Ein großer Minuspunkt ist das komplette Fehlen von Stichwortsynonymen. Markiert man beispielsweise ein Foto als „Konzertfoto“, kann Lightroom Synonyme dieses Stichworts mitexportieren und aus „Konzertfoto“ wird dann eben „Konzertfoto, High ISO, Low Light, concert“. Man spart sich also mit einem Stichwort drei weitere. Dieses Feature besitzt übrigens keiner der getesteten Fotoverwalter unter Linux.

Stichwortverwaltung in Lightroom - Synonyme? Kein Problem!
Stichwortverwaltung in Lightroom – Synonyme? Kein Problem!

Generell fällt bei allen getesteten Programmen unter Linux eins auf: so richtig durchstrukturiert, „gestreamlined“ und vor allem umfangreich ist die Metadatenverwaltung bei keiner Lösung und könnte das vorzeitige Aus für einen Komplettumstieg sein…

Aber erst noch zu Darktable, dem Lightroom-Klon für Linux:

Darktable – Im feuchten Traum der Regler-Fetischisten

Was macht Lightroom so attraktiv für Fotografen? Die simple Oberfläche, die logischen Workflows – Auswahl, Bearbeitung, Export – und der nahezu perfekt zugeschnittene Funktionsumfang.

Was macht Darktable so schrecklich für Lightroomverwöhnte? Das unintuitive, schlecht designte Interface und die teilweise unsinnigen Beschränkungen. Denn den Rest hat man sich großzügigerweise beim Industriegiganten beinahe 1:1 abgeschaut. Was ja auch nichts schlechtes ist, denn man muss das Rad nicht neu erfinden – vor allem wen eben jenes Rad sich vehement weigert, eine Linuxlösung zu präsentieren.

Blöd ist es dann aber, wenn man das besagte Rad kopieren möchte, aber grundlegende Dinge und logische Abläufe aus unerfindlichen Gründen über Bord wirft und durch unstrukturierte, schlecht zu bedienende Mischmaschlösungen ersetzt. „Lieber gut kopiert, als schlecht selbst gemacht.“ ist ja eine Version der bekannten Lebensweisheit, aber der Fokus liegt hierbei nun mal auf „gut“.

Kontrast, Schatten, Zuschneiden, Belichtung, Weißabgleich? Nicht wirklich die sinnvollste Abfolge
Kontrast, Schatten, Zuschneiden, Belichtung, Weißabgleich? Nicht wirklich die sinnvollste Abfolge

Dieser Zustand fällt bereits bei einem Basisschritt auf: dem Weißabgleich. Während Lightroom eine simple Pipette liefert, wartet Darktable mit einem überflüssigen Dropdown auf, bei dem man erst den manuellen Weißabgleich wählen muss, um dann ins Bild zu klicken. Gutes Feature hierbei ist aber ganz klar, die Möglichkeit, auch einen individuellen Bildausschnitt mittels Auswahlrechteck als Weißabgleichsbasis zu bestimmen. Good job, Darktable!

Schlechte Features hingegen sind beispielsweise die Entrauschen- und Schärfenwerkzeuge, die von Adobes hellen Köpfen äußerst intuitiv und praktisch gelöst wurde: 100 % Vorschau direkt beim Werkzeugbereich selbst, klare Optionen und die Verbindung von Entrauschen und Schärfen macht einfach Sinn. Darktable hingegen teilt diese Features gerne auf – warum weiß man nicht.

Rauschen und Entschärfen in LR - Was denn der Entwickler zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.
Rauschen und Entschärfen in LR – Was denn der Entwickler zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

Ähnlich düster sieht Darktable beim Export aus. Lightroom bietet eine Vielzahl an nützlichen Einstellungsmöglichkeiten, inklusive einer astreinen Wasserzeichenfunktion. Grafik oder Text? Such’s Dir aus! Bei Darktable hingegen muss das Wasserzeichen als Vectorgrafik bereitgestellt werden und immer. wieder. bei. jedem. einzelnen. Bild. eingefügt. werden. Klar, man kann den Prozess auch halbautomatisch abwickeln, indem man das Wasserzeichen bei einem Foto einfügt und die Aktion auf die restlichen Fotos synchronisiert. Aber man fragt sich mal wieder: Warum nicht erst im Export bei allen Fotos? Warum unbedingt schwierig? Was, wenn ich kurz ein Foto ohne Wasserzeichen exportieren möchte? Naja, wenigstens gibt es die Möglichkeit einer gespeicherten Voreinstellung.

Wasserzeichen in Darktable - und täglich grüßt das Murmeltier
Wasserzeichen in Darktable – und täglich grüßt das Murmeltier

Das Fazit

Zurück zur ursprünglichen Frage: Kann man als (semi-)professioneller Fotograf, der schnellstmöglich hunderte Fotos verschlagworten, aussortieren, bearbeiten und exportieren muss, ruhigen Gewissens auf Linux umsteigen? Die Antwort ist eindeutig: Nein! Zumindest nicht im aktuellen Stadium, da sämtliche angetesteten Linuxlösungen in der Entwicklung geschätzte 5 Jahre hinter ihren proprietären Vettern hinterherhinken. Leider.

Kann man als Hobbyist, der hin und wieder Einzelfotos oder kurze Fotostrecken ohne Zeitdruck bearbeiten und veröffentlichen will, auf Linux umsteigen: Ja, solang man sich bewusst ist, dass man mit einem gewissen Mehraufwand rechnen muss und die Verwaltung nur sehr mühsam vorangeht.

Mein Appell an die Entwickler von DigiKam und Darktable wäre, sich die „Big Players“ auf dem Spielfeld genau anzusehen und über die eigenen Lösungen zu meditieren. Wenn man schon ein Rad kopiert, sollte es wenigstens rund sein.

Im kommenden Teil 3 werden wir dann nochmal genau die beiden Workflows gegenüberstellen, damit die jeweiligen Stärken und Schwächen übersichtlich und verständlich dargestellt werden.

Wenn Ihr natürlich Tipps und Tricks habt, dann dürft Ihr sie natürlich gerne als Kommentar hinterlassen. Ich freue mich über jede Hilfestellung!

2 thoughts on “Linux für Fotografen – Part 2: Programme & Fazit

  1. Marcom says:

    Durch die Möglichkeit „style“ im export menü kann man leicht durch einen Wasserzeichen-style dieses einfügen.

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