83 Tage ist es her, seitdem ich SÓLSTAFIR beim PAGANFEST 2012 in Wien fotografiert habe. In dieser Zeit habe ich die Band und ihr kreatives Umfeld immer mehr zu schätzen gelernt. Darum gibt’s jetzt eine Liebeserklärung, Analyse, Essay, Pamphlet an/von/über/zu/durch/bei/wasauchimmer SÓLSTAFIR – und bisher unveröffentlichte Hammerfotos vom PAGANFEST 2012-Auftritt!
Für mich ist die Musik SÓLSTAFIRs die perfekte akustische Untermalung der Seele Islands: Melancholisch, düster, gezeichnet von Verlust und inneren Dämonen, ausgestattet mit der Schönheit der Traurigkeit. Das ganze wird sorgfältig verpackt in mal langsame, mal schnelle Rhythmen, zu denen Sänger Aðalbjörn Tryggvason mal auf Isländisch (Album „Svartir Sandar“, 2011), mal auf Englisch (Alben „Masterpiece of Bitterness“, 2005 und „Köld“, 2009) die Texte vorträgt.
Gitarrist Sæþór „Gringo“ Maríus Sæþórsson |
Gerade die Texte sind besonders wichtig, denn für mich wohl der kritischste Faktor, an dem die Qualität einer Band gemessen werden kann.
Ein gutes Beispiel hierfür wäre GUNS ‚N‘ ROSES‘ „One In A Million“ von der 1989er Platte „G N‘ R Lies“. Musikalisch ein Top-Werk, aber wenn man sich den Text mal genauer anhört (aus der Feder von Axl Rose), merkt man, wie bigott Axl Roses Weltanschaung doch ist. Der Song strotzt vor Rassismus, Hass auf Immigranten, Homophobie und so ziemlich allem, was mir sauer aufstößt. Ein lächerlicher Versuch, sich als weiße Rockband für weiße Amerikaner darzustellen und ein Armutszeugnis für den Rest der Band, der es nicht geschafft hat, die Veröffentlichung des Songs zu verhindern – BÄH!
Aber zurück zu SÓLSTAFIR, bei denen man nicht im Ansatz Axl Rose-ähnliche Intoleranz finden kann – eher das Gegenteil ist der Fall, aber dazu später mehr. Es geht um Liebe, Hass, Depressionen, Verlust und Leid. Altern, Sterben, Ängste und Hoffnung. Während sich das bei englisch gesungenen Tracks, wie „Love Is The Devil (And I Am In Love)“ etwas holprig anhört (dennoch ein fantastischer Song und definitiv eines meiner Lieblingsstücke), profitieren SÓLSTAFIR eindeutig von ihrer Muttersprache.
Isländisch ist lautmalerisch, mystisch und düster und eignet sich somit perfekt für Songs wie „Ljós í Stormi“ oder „Svartir Sandar„. Und ganz besonders für den stilistischen Ausreißer „Fjara“ – ein ruhiger Song, der für mich das Highlight des Albums „Svartir Sandar“ darstellt.
Nicht umsonst wurde er als erstes Promovideo veröffentlicht und dieses Video hat es in sich! Regisseur Bowen Staines von Don’t Panic Films lässt eine blonde Schönheit einen Sarg durch die traumhafte, dennoch unwirtliche Landschaft Islands schleppen, während ihr drei Geister und ein Schamane (die einzelnen Bandmitglieder) den Sinn und das Ziel ihrer Reise offenbaren. Der Videodreh verlangte der Schauspielerin, der gesamten Crew und den Bandmitgliedern so einiges ab. Drummer Guðmundur Óli Pálmason als Geist der Erde oder Bassist Svavar Austmann Traustason als blutverschmierter Schamane zeugen vom Engagement und der Opferbereitschaft der Band. Wer würde nicht gerne bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Regen sitzen – stundenlang!
Empfehlenswert ist auf jeden Fall Staines‘ facebook-Album mit Behind the Scenes-Fotos und witzigen Anekdoten.
Mithilfe von Google Translate, sowie diverser Lyrics-Translation-Portale im WWW kann man in etwa vermuten, was hinter den isländischen Lauten steckt. Und selbst wenn keine Übersetzung (oder im Idealfall Isländischkenntnisse) vorhanden sind: Es schadet dem Gesamterlebnis „SÓLSTAFIR“ in keinster Weise. Einfach mal nur auf Musik und Lautmalerei konzentrieren und genießen …
Keine Übersetzung benötigt man für den Song „Love is the Devil (And I Am in Love)“ und das dazugehörige Video, welches auf Youtube wieder mal eine eigentlich obsolete Diskussion über Homosexualität, sowie haufenweise homophobe Hasspredigten, auslöste. Dass das Video eigentlich zeigte, dass Gewalt und Misshandlung in einer Beziehung natürlich auch nicht vor homosexuellen Paaren Halt macht, ging dann etwas unter. Darum mein Tipp am Rande: Bei Youtube-Videos nie die Kommentare lesen. Das spart Zeit und Nerven! Aber zum Glück beläuft sich der homophobe Anteil an Fans lediglich auf eine kleine Minderheit und die Band selbst kommentierte dies nur mit einem sarkastischen „Did you see the disgustingly gay video we made for Love is the Devil?„.
Ebenfalls ohne Übersetzung kommt das Instrumental-Stück „78 Days in the Desert“ aus. Der langsame Start, die druckvollen, treibenden Schlagzeugrhythmen, die SÓLSTAFIR-typische Länge von über acht Minuten und nicht zuletzt das vielschichtige, perfekt harmonierende Zusammenspiel aller Bandmitglieder machen es für mich zu einem der besten Tracks der Band.
So, das war jetzt mal mein Gedankensturm & Anspieltipps zu dieser beeindruckenden Band! Jetzt gibt’s noch die vorher versprochenen Fotos und dann ist gut für heute. Danke für’s Lesen und ich hoffe ich konnte jemanden als neuen SÓLSTAFIR-Jünger rekrutieren. Wie immer sind Wünsche, Beschwerden, Anregungen und sonstiges Gewäsch in den Kommentaren gern gesehen 🙂 Enjoy!